Musikkapelle Obermarchtal e.V.

Chronik der Musikkapelle Obermarchtal

Die Geschichte des Musikvereins und der Musikkapelle Obermarchtal ist untrennbar verwoben mit der Auflösung des Prämonstratenser-Reichstifts Marchtal im Jahre 1803.
In einer Chronik wird breichtet: "Mit der Aufhebung des Prämonstratenserklosters und Reichsabtei Marchtal erlosch auch das große Orchester der Mönche, verwaist und herrenlos lagen Geigen, Flöten, Posaunen, Pauken und Trompeten auf der Empore und auf der Kirchenbühne."
Diese Restposten einer untergegangenen hochstehenden Musikkultur, deren berühmteste Vertreter Isfried Kayser und Sixtus Bachmann waren, lagen wohl nicht lange verwaist und dem Verfall preisgegeben an den angegebenen Orten, sie gelangten vielmehr in die Hände musikbegeisterter Männer, die sie wieder zum Klingen brachten. Wo und wann dies geschah, ist nicht bekannt.

Das offizielle "Geburtsjahr" der Jubiläumskapelle des Jahres 1999 ist das Jahr 1824: Eine Gemeindepflegerechnung dieses Jahres weist die Entlohnung von 16 Musikern für ihre Teilnahme an der Fronleichnamsprozession aus. Der Obmann erhielt 1 Gulden, die "Gemeinen" je 24 Kreuzer.
Ebenfalls mit dieser Summe entlohnt wurden das Militär (29 Mann), die Böllerschießer, die Fahnenträger und 6 Männer, die eine Orgel in der Prozession mittrugen.

Man kann davon ausgehen, dass die Gründung dieser Musikkapelle etliche Zeit vor diesem Datum erfolgt ist. Das Vorhandensein der "Klosterinstrumente" mag diese frühe Gründung begünstigt haben, vielleicht hat der eine oder andere sogar bereits zu Klosterzeiten sein Instrument erlernt und gespielt.

Als erster Obmann der Kapelle ist Josef Spindler genannt. Ihm folgte Obmann Fischer, der 1840 von Cantor Donatus Munding abgelöst wurde. Dieser war gleichzeitig Dirigent des 1836 gegründeten "Gesangsvereins Marchtal". Ihm folgte 1860 sein Sohn, der Lehrer Anton Munding, aus dessen Zeit noch Notenhefte mit der Jahreszahl 1864 erhalten sind.

In den 80er Jahren kam es unter den Musikern zum Konflikt. Auslöser waren gleichzeitige Veranstaltungen des Militärvereins und des Gesangvereins, dem etliche Musiker angehörten. So entstanden, da keine andere Lösung möglich war, zwei Musikkapellen im Dorf: die des Militärvereins und die des Gesangvereins. Elf Jahre dauerte das zum Teil scharf ausgetragene Gegeneinander der beiden Kapellen bis sie am 24. Oktober 1897 wieder zueinander fanden. An diesem Tag schlossen sich unter Leitung von Heinrich Welz 13 Musiker zu einer "Musikgesellschaft" zusammen und gaben sich Satzung und Statut.

Mit der gleichzeitigen Anlage eines Kassa-Tagebuches beginnt die bis heute lückenlose Aufzeichnung des Vereinsgeschehens. Der erste Eintrag in das Kassa Tagebuch lautet: "14. Nov. 1897 hat die Gesellschaft Geld aufgenommen zur Bezahlung von 4 Instrumenten 150,- Mark"

Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde der Kassenbestand aufgeteilt und an die in den Krieg ziehenden ausgezahlt. 1919 erfolgt der nächste Eintrag: "8 Musiker beteiligen sich an der Fronleichnamsprozession". An Peter und Paul desselben Jahres gab die Musikkapelle im "Schloßgarten" ein Konzert.

Am 20. Juli 1919 folgt der Eintrag: "Durch Collekte für Übernahme der Instrumente und Musikalien der Alten Musik eingegangen 464,- M. Am 10. August ausbezahlt an die Mitglieder der Alten Musik 475,- M." Dieser Eintrag bezeichnet die endgültige Auflösung der Gesangvereinsmusik, die bis dahin noch als Streich- und Blasmusik - wenn auch ohne große Auftritte - existiert hatte.

Unter der Leitung von Kapellmeister Fidel Endele, der in seiner Militärzeit Trompeter und Klarinettist bei der Militärmusik Pionier-Btl 13 in Ulm gewesen war, begann ab 1908 und nach der kriegsbedingten Unterbrechung 1919 eine neue Ära für die Musikkapelle. Die Ausbildung wurde unter Endeles Leitung professionalisiert - und die Früchte ließen nicht lange auf sich warten. Beim ersten Bezirksmusikfest 1922 in Blaubeuren wurde ein 2. Preis in der I. Stufe mit Diplom erreicht.

Vom 11.-13. Juli 1925 feierte man das vierte Bezirksmusikfest in Obermarchtal. Dazwischen - im Jahr 1923 - weist das Kassa-Tagebuch astronomische Summen auf. Kassenbestand am 16. Oktober 1923: 1.250.767.319,- Mark!
Der Währungsverfall und die katastrophale Inflation hatten auch die Finanzen der Obermarchtaler Musikkaplle erreicht.

In den Jahren 1922-32 beteiligte sich die Kapelle an Musikfesten in Herrlingen, Laupheim, Friedrichshafen, Kirchbierlingen, Ehingen und Zwiefalten.

Das musikalische Leben im Dorf ging weiter bis der Ausbruch des 2. Weltkrieges diesem ein Ende setzte.

Am 26. April 1947 versammelte sich die Musikkapelle erstmals nach 8 Jahren und trat am Fronleichnamsfest des gleichen Jahres wieder an die Öffentlichkeit. Nach 3 Jahren bestand die Kapelle bereits wieder aus 17 Musikern. Am 4./5. Juni 1955 feierte man in Obermarchtal das 7. Kreismusikfest und gleichzeitig das 125-jährige Bestehen der Kapelle.

1958 legte Fidel Endele nach mehr als 50-jähriger Dirigententätigkeit den Taktstock in die Hände seines Nachfolgers Max Bitterle, der bereits seit 1946 die Ausbildung der Jungmusiker leitete. 1969 übernahm Karl Schmid aus Unlingen die musikalische Leitung und gab diese 1974 an Diplomdirigent Karl Ruf weiter, der die Kapelle über 32 Jahre erfolgreich leitete. Seinen Taktstock übernahm am 1.1.2007 Dirigent Klaus Fiderer aus Mundeldingen. Zahlreiche Erfolge beim Musikverein Unterstadion und seine langjährige Erfahrung führen die Musiktradition in Obermarchtal weiter.

1971 wurde durch Satzungsänderung die Leitungsstruktur geändert. Die Vorstandschaft bilden nunmehr der Vorsitzende, sein Stellvertreter, Kassier, Schriftführer, Dirigent, Jugendleiter und Beisitzer.

1973 wurde der nächste Schritt getan: Die Musikkapelle wurde ein eingetragener Verein mit dem Namen "Musikkapelle Obermarchtal e.V."

Erster Vorsitzender des Vereins wurde Anton Hirschle, ihn löste 1989 Paul Karner in diesem Amt ab.

Im Lauf der letzten 25 Jahre wuchs die Kapelle auch zahlenmäßig zu einem beachtlichen Klangkörper heran, so dass sich immer wieder die Frage nach einem geeigneten Probelokal stellte. Räumlichkeiten in der nunmehr ehemaligen Schule, im Kindergarten, in der Hauswirtschaftsschule wurden immer wieder zu klein oder waren von ihrer Lage her ungeeignet.

1981 wurde dann das erste "eigene" Zuhause" eingeweiht: In Eigenarbeit war das ehemalige Molkererigebäude in ein Musikerheim verwandelt worden Auch dieses Domizil erwies sich bereits nach einem guten Jahrzehnt als zu klein. Als 1994 das neue Feuerwehrgerätehaus fertiggestellt wurde, erhielt die Musikkapelle dort ihre vorläufig letzte Heimat.

Garant für die erfolgreiche Zukunft eines jeden Vereins ist die eigene Jugendarbeit, also das Heranführen der jeweils jüngsten Generationen an das Vereinsleben. Die Musikkapelle Obermarchtal verwendet seit Jahrzehnten viel Mühe auf dieses Ziel. "Werbeaktionen" in der Grundschule, eine solide musikalische Grundausbildung, eine altersgemäße Freizeitgestaltung und neuerdings wieder eine eigene Jugendkapelle "locken" jedes Jahr Kinder in den Verein.

Das Ergebnis ist eine erfreulich "junge" Musikkapelle, die in ihrer Altersmischung ein gelingendes Miteinander von erfahrenen bewährten Musikern und jungen, zukunftsorientierten Nachwuschkräften wiederspiegelt.
Dass gerade in der jungen Musikergeneration die Zahl der Mädchen und jungen Frauen stetig zunimmt, ist der Beweis dafür, dass auch in der Volksmusik Gleichberechtigung und Emanzipation keine Fremdwörter mehr sind.

Immer schon "mit dabei" waren und sind in der Musikkapelle Obermarchtal die Musiker und Musikerinnen aus Rechtenstein. So bildet die Musik ein einigendes Band über die Donau hinweg - gleichsam aus dem "Oberland" hinüber an den Fuß der Schwäbischen Alb.

Dörfliche Kultur ist in einer Zeit der Individualisierung und zunehmenden Entsolidarisierung der Gesellschaft wie viele andere überkommene Bestandteile humaner Lebensgestaltung starken Wandlungen und auch Gefährdungen unterworfen. Nur ein in sich stabiles Vereinsleben und das solidarische Zusammmenwirken aller dieser Kultur tragenden Kräfte können diese bewahren und den jeweils neuen Anforderungen der Zeit anpassen. Neben vielen anderen Vereinigungen kommt hierbei der Musikkapelle und dem sie tragenden Verein eine besondere Rolle zu. Musik begleitet alle Vollzüge unserers Lebens: Die Freude und das fröhliche Feiern werden von ihr genauso gespiegelt wie die Trauer und das Leid.

Im Rahmen oberschwäbischer Dorfkultur sind es die Musikkapellen, die diese musikalische "Rahmung" des Lebens leisten - hier in Obermarchtal nunmehr seit über 187 Jahren.

Es bleibt dem Verein zu wünschen, dass er diese Aufgabe auch in der Zukunft leisten kann, dass er genügend junge Menschen findet, die diese lange Tradition fortsetzen und damit das durch schwere Zeiten hindurch Geschaffene und Bewahrte in eine gute Zukunft weitertragen.

Für die Zusammenstellung und Ausarbeitung dieser Chronik anlässlich des Kreismusikfestes 1999, bedanken wir uns recht herzlich bei Herrn Dr. Berthold Saup - Obermarchtal